04.12.2025

Der BSV Bern spielt zum ersten Mal in seiner Geschichte eine europäische Gruppenphase in der European Handball League. Mit zwei Siegen gegen den kroatischen Vertreter aus Čakovec war die Qualifikation für die schon zuvor ausgeloste Gruppe perfekt. Und diese Gruppe hat es in sich. Neben dem international noch etwas unbekannteren, aber starken Team aus Ostrow (Polen) wurden uns der europäische Topklub aus Montpellier und der THW Kiel zugelost.

Eine Reise mit vielen Kapiteln und ein Rucksack voller Erfahrungen

Das Abenteuer EHF-Euroleague-Gruppenphase begann am Sonntag, 12. Oktober, um 20:00 Uhr bei der Mobiliar Arena in Bern. Dort steigen wir das erste Mal in den Teamliner von Bösch-Reisen: ein zweistöckiger Bus mit 14 Schlafkajüten, mehreren Sitzmöglichkeiten und zwei äusserst gut gelaunten österreichischen Busfahrern. Diese trällern zur Begrüssung inbrünstig die Schweizer Hymne ins Mikrofon, bevor wir die ca. 14-stündige Reise in Richtung Polen auf uns nehmen.
 

Die Mannschaft vertreibt sich die Zeit mit Gesellschaftsspielen, mehr oder weniger spannenden Gesprächen, viel Lachen und – ja –, so gut es ging, auch mit etwas Schlaf. Gegen 14 Uhr in Ostrow angekommen, quartieren wir uns in einem wunderschönen, etwas abgelegenen Hotel direkt an einem See ein und dürfen gleich zum Mittagessen. Alle, bis auf unseren Coach Sedi, welcher die Zeit lieber zum Schlafen nutzte… Die Mannschaftskasse dankt.
 

Nach einem Training am Abend, einer erholsamen Nacht und einem weiteren Training am Dienstagmorgen war es dann soweit: Das erste Spiel in diesem grossen Wettbewerb steht an. Die moderne Halle in Ostrow ist voll, die Stimmung überragend, die Euroleague-Hymne löst Gänsehaut aus, und die Nervosität ist spürbar. So verläuft auch der Anfang des Spiels. Schnell erspielen sich die lautstark angetriebenen Polen einen deutlichen Vorsprung. Wir finden langsam zu unserem Spiel und kommen zurück. Eine ausgeglichene zweite Hälfte führt in eine spannende Schlussphase, in welcher die Mannschaft aus Ostrow kaltschnäuziger agiert und sich die 2 Punkte sichert. Bis auf die Startphase ein guter Auftritt von uns, welcher gezeigt hat, dass die körperlich sehr robuste Mannschaft aus Polen qualitativ nicht ausser Reichweite für uns ist. Nach dem Spiel ging’s direkt wieder in den Teamliner und die Reise nach Hause wurde angetreten.
 

Zweites Kapitel: Heimspiele gegen Montpellier und Kiel

Das zweite Kapitel schreiben zwei Heimspiele gegen die internationalen Top-Teams aus Montpellier und dem THW Kiel. Die Halle in Bern ist zwei Mal voll, die BSV-Junioren füllen die Stehrampe der Mobiliar Arena in roten Trikots und feuern uns gnadenlos an. Es sind diese Spiele, für welche man als Handballer lebt. Die Emotionen kochen, die Gegner sind gespickt mit Topstars und die Messlatte ist höher denn je für die meisten Spieler von uns.
 

In der Matchansprache vor den Spielen sprechen unsere Coaches von Grenzen verschieben und Mut. Mutig sein und sich auch gegen diese Gegner nicht verstecken. Den BSV-Handball leben, das Herz auf die Platte legen, hart verteidigen und daraus mit viel Tempo und Wucht nach vorne. Das Geforderte wurde geliefert, beide Spiele sind grundsätzlich ein Ebenbild. Der BSV stellt die Handball-Grossmächte vor Probleme. Mathieu im Tor wächst über sich hinaus, die Abwehr packt zu, das Tempospiel läuft hervorragend und die Mannschaft feiert. Der Spielstand ist in beiden Spielen bis zur 45. Minute ziemlich ausgeglichen. Und dann – ja, dann zeigt sich, was diese Top-Teams zu Top-Teams macht. Während uns langsam die Kräfte ausgehen, schalten sie einen Gang hoch und bestrafen gnadenlos jeden kleinen Fehler. Die Resultate fallen schlussendlich deutlich aus, was aber nicht unbedingt das Gezeigte widerspiegelt. Und was für uns einen deutlich höheren Stellenwert hat als die Resultate, sind die Erfahrungen aus diesen Spielen.
 

Drittes Kapitel: Die Rückspiele

Im dritten Kapitel geht es gegen die gleichen zwei Gegner, aber diesmal in deren Heimstätten. Zuerst geht es zum absoluten Highlight dieser Europacup-Kampagne: das Auswärtsspiel beim deutschen Rekordmeister aus Kiel. Es ist die einzige Reise, welche wir mit dem Flugzeug antreten. Von Zürich nach Hamburg, von dort mit dem äusserst schmucken THW-Car nach Kiel. Nach kurzem Gepäckabladen im Hotel geht’s direkt ins Training in die Wunderino Arena.
 

Und da stehen wir nun. Der «kleine» BSV Bern auf dem verhältnismässig kleinen Spielfeld in der riesengrossen Wunderino Arena, welche am nächsten Tag mit ca. 10'500 Zuschauern so gut wie voll sein wird. Das Herz fängt schon in der leeren Arena etwas schneller an zu schlagen, und die Vorfreude auf das Spiel am nächsten Tag steigt ins Unermessliche.
 

Dann ist es soweit: Am Dienstag werden wir im Hotel abgeholt und zum Spiel gefahren. Schon beim Einlaufen füllt sich die Halle. Die Mannschaft versammelt sich noch in der Kabine, bevor die Einlaufshow folgt. Wir laufen als Mannschaft in die Halle ein, die Heimfans begrüssen freundlich und die ca. 50 mitgereisten Berner Fans toben. Dann folgt der Einlauf von Kiel, und es wird laut. Richtig laut. Ich schaue mich um zu meinen Teamkollegen, zum Staff, und man sieht es entweder in den Augen oder am Grinsen: Wir sind stolz. Es ist in dieser Kampagne wahrscheinlich der grösste Realisations-Moment. Ein «Schaut mal, was wir erreicht haben»-Moment.

Das Spiel ist dann deutlich weniger ausgeglichen als noch unser Heimspiel. Während wir in der ersten Halbzeit phasenweise noch gut mithalten, begehen wir in der zweiten Halbzeit deutlich zu viele Fehler, welche man sich auf diesem Niveau nicht leisten kann. Es wird deutlich. Nach kurzer Enttäuschung kommt aber auch hier wieder die Erkenntnis, dass die Erfahrung wichtiger ist als das Resultat. Und diese Erfahrung war unbeschreiblich schön und bestätigend. Nach dem Spiel folgt noch eine Nacht in Hamburg, in welcher der Schlaf sicher nicht die erste Priorität war. Aber auch das sei uns mal gegönnt.
 

Schon eine Woche später folgt die Reise nach Montpellier. Wahrscheinlich, um zu vermeiden, dass der ein oder andere noch einen Stopp am Zibelemärit einlegt, fahren wir am Montagmorgen früh los. Wieder wird im Teamliner gespielt und die ca. 7-stündige Reise fühlt sich relativ kurz an. Trotzdem merkt man der Mannschaft spätestens am Abend im Training an, dass die letzten Wochen belastungstechnisch in sich hatten: viele Spiele, viele Reisen und schwere Beine.
 

Dies merkte man dann auch zu Beginn des Spiels in einer gut gefüllten und stimmungsvollen Halle in Montpellier. Die Abwehr fand den Zugriff nicht wirklich, und dadurch stockte auch das Tempospiel. Die Stars aus Montpellier wissen das natürlich auszunutzen und gehen mit einer deutlichen Führung in die Pause. In der Pause tanken wir Kraft, verweisen auf unseren Stolz und gehen fest entschlossen in Halbzeit zwei. Und wir zeigen Moral. Mit so einem Rückstand könnte man auch den Kopf in den Sand stecken und sich dem Schicksal hingeben, aber das wären nicht wir. Wir bieten dem Top-Team aus Montpellier einen Kampf auf Augenhöhe und spielen eine sehr gute zweite Halbzeit. Der Schaden wurde also so beachtlich in Grenzen gehalten.
 

Abschliessendes Kapitel: Das Rematch gegen Ostrow

Das abschliessende Kapitel schreibt unser letzter europäischer Auftritt in dieser Saison zu Hause gegen die Polen aus Ostrow. Ein Gegner, welcher nach dem Hinspiel auf Augenhöhe geschätzt wird. Noch ein letztes Mal geniessen wir vor dem Handshake die Euroleague-Hymne, bevor das Spiel beginnt.
 

Dass dieses Spiel für beide Mannschaften sportlich eigentlich keinen Wert hat, merkt man in keiner Sekunde. Das Spiel ist sehr hart geführt, die Intensität ist hoch, und beide Teams schenken sich nichts. Kein Team kann sich auf mehr als 1–2 Tore absetzen, und es folgt eine extrem spannende Schlussphase. Zehn Sekunden vor Schluss erzielen die Polen die Führung, und wir scheinen uns punktelos aus dem europäischen Wettbewerb zu verabschieden. Nico Eggimann hat etwas dagegen und versenkt den Buzzer-Beater zum Ausgleich. Und da ist er, der verdiente und versöhnliche Abschluss der europäischen Reise des BSV Bern.
 

Ich schreibe in diesem Text sehr oft von Erfahrungen. In einer Gruppe, in welcher schon nach der Auslosung klar war, dass ein Weiterkommen einem Wunder gleichen würde, ging es uns tatsächlich auch darum: Erfahrungen und Erkenntnisse. Es war eine sehr intensive Zeit, in welcher wir als Mannschaft mit wenigen Profis ein Profipensum absolvierten. Es war eine körperliche und mentale Herausforderung, und diese haben wir in meinen Augen extrem gut gemeistert. Wir haben gespürt, dass wir mit unseren Stärken auch gestandene Top-Teams vor grosse Herausforderungen stellen können, haben aber auch realisiert, was fehlt und an welchen Schrauben wir noch drehen müssen. Wir sind als Team noch näher zusammengerückt und haben Momente erlebt, welche uns für immer bleiben und miteinander verbinden.
 

Diese Kampagne wäre nicht möglich gewesen ohne die grosse Unterstützung der BSV-Familie. Im Namen der ganzen 1. Mannschaft möchten wir uns nochmals bei allen Unterstützern unseres «I believe in you»-Projektes, bei den unzähligen Helferinnen und Helfern sowie allen Zuschauern bedanken. Ihr habt diese Reise für uns unvergesslich gemacht.
 

Lucas Rohr

 

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